Sicherung der Qualität

Der zunehmende Grad an Laborautomatisation für qualitative und quantitative laboratoriumsmedizinische Untersuchungen erfordert für eine permanente Qualitätssicherung die Verwendung interner und im verstärkten Maße externer Qualitätskontrollen.

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Die Methoden der Qualitätssicherung im klinischen Labor sind den entsprechenden Methoden bei der Kontrolle der industriellen Fertigung entlehnt. Die zunehmende Automatisierung in diagnostischen Laboren reduziert im Allgemeinen die Fehleranfälligkeit durch individuelle Bearbeitung der Proben durch das medizinische Laborpersonal. Andererseits entfällt auch die Prüffunktion des geschulten Personals für einzelne Bearbeitungsschritte und somit eine Option zur zwischenzeitlichen Korrektur eingetretener Fehler. Nur durch die Verwendung von angepassten Kontrollmaterialien kann eine Überwachung des gesamten Laborprozesses erreicht werden. Hierfür unterscheidet man interne und externe Qualitätskontrollen. Interne Kontrollen werden meist vom Testhersteller mit angeboten und bestätigen die Funktionsweise des angewandten Testsystems. Die Verwendung Kit-unabhängiger externer Kontrollen erlaubt nicht nur die Überwachung des gesamten Bearbeitungsprozesses der untersuchten Proben, von der Annahme, über die Behandlung der Proben im Labor bis zur Auswertung der Laborergebnisse, sondern auch prä-analytische Veränderungen des Probenmaterials durch den Einsender. Externe Qualitätskontrollen werden heutzutage durch die Rili-BÄK, die ISO 15189 und insbesondere durch die neue Verordnung (EU) 2017/746 (IVD-R) gefordert.

Eine Kontrolle besteht im Wesentlichen aus einer Hintergrundmatrix, in welcher der gewünschte Analyt mit einer eindeutig definierten Menge auf den zugelassenen Systemen gemessen werden kann. Häufigstes Grundmaterial für die Hintergrundmatrix ist Plasma beziehungsweise Serum von gesunden Blutspendern. Generell gilt, je größer die Übereinstimmung der Kontrollprobe mit der ursprünglichen Patientenprobe, desto besser ist sie für die Qualitätssicherung geeignet. Eine ideale Kontrolle wäre theoretisch eine einzelne unbehandelte Patientenprobe, da hier die Matrix und der Analyt in seiner nativen Form vorliegen und alle natürlichen Effekte repräsentativ gemessen werden könnten. Die Chargengrößen in der Produktion und die später genannten Voraussetzungen an Stabilität und Konformität erfordern aber die Verwendung von mehreren verschiedenen  klinischen Proben für einen größeren Pool und eine definierte Verarbeitung von diesem über mehrere Prozessstufen mit Zusatz weiterer Komponenten.  

Qualitätskontrolle
Auf Basis der Kombination von Hintergrundmatrix und analythaltiger Komponente ergeben sich vier Gruppen von Qualitätskontrollen: die native, die semi-native, die semi-artifizielle und die artifizielle Kontrolle (Abb.1). Letztere enthält keinerlei Probenmaterial, welches aus humanen klinischen Proben gewonnen wurde. Im Gegensatz dazu enthält die native Kontrolle, außer eventuell eines Stabilisators, nur Komponenten, welche aus humanen Proben gewonnen wurden. Dieses Kontrollmaterial kann als Goldstandard für die Diagnostik gewertet werden. Größte Limitation hierfür ist oft die mangelnde Verfügbarkeit des entsprechenden nativen Materials, das nur wenige Dienstleister in notwendiger Qualität mit ethisch einwandfreier Herkunft bereitstellen können. Moderne Synthesemethoden und rekombinante Proteine finden oft Anwendung für artifizielle Kontrollmaterialien. Darunter fällt auch der Einsatz biologischer Proben nichtmenschlichen Ursprungs. Dies ist laut der IVD-R für Europa nicht mehr zulässig und bedingt eine Neuzertifizierung aller auf diese Weise bisher zugelassenen Tests.

Diagnostische Testsysteme
Bei den semi-nativen Kontrollen wird ein artifiziell hergestellter Analyt in einer nativen Hintergrundmatrix aufgenommen oder zur Konzentrationserhöhung des gewünschten Parameters zu einem niedrigtitrigen Material beigefügt. Für die Herstellung von semi-artifiziellen Proben wird die multivalente Hintergrundmatrix simuliert und nur der Analyt in seiner nativen Form zugesetzt. Der Analyt kann aufgrund seines Ursprungs in drei Klassen eingeteilt werden: nativ, aufgereinigt und artifiziell (Abb. 2). Die Wertigkeit für die Herstellung von Kontrollmaterialien folgt dieser Reihenfolge. Höchste Kategorie wäre das native Material. Wenn der Analyt vor der Verwendung in einer Kontrolle aus humanem Ursprungsmaterial aufgereinigt wurde, ist er dem artifiziellen Pendant vorzuziehen. Durch die Separation bleibt meist das gesamte strukturelle Spektrum des natürlichen Analyten erhalten, wobei künstlich hergestellte Substanzen oft nur eine definierte Konformität repräsentieren und die biologische Vielfalt stark reduziert ist. Zur Veranschaulichung kann die Antikörpervielfalt nach Infektion mit Sars-CoV-2 beziehungsweise nach Impfung im Serum eines Patienten betrachtet werden. Die gewünschten, neutralisierenden Antikörper stellen ein gesamtes Sortiment leicht veränderter Antikörper dar, mit teils signifikant anderen Eigenschaften. Zur Simulation des nativen Zustands müsste also die gesamte Palette verschiedener Einzelantikörper produziert und später gepoolt werden, was neben dem Aufwand auch mit hohen Kosten verbunden wäre.  

Qualitätsanforderungen
Für die Hersteller von Kontrollproben zur Qualitätssicherung ergeben sich durch die Umstellung der Zulassung nach Richtlinie 98/79/EG (IVD-D) auf die Verordnung IVD-R höhere Aufwendungen, weil Testsysteme als auch die dazugehörenden Kontrollen nicht mehr überwiegend als „sonstige Produkte“ in Herstellerverantwortung zugelassen werden können, sondern nunmehr alle eine Überprüfung durch die Benannte Stelle benötigen. Die IVD-R bewirkt eine Umbewertung der bisherigen Liste A- (höchstes Risiko) und Liste B-Produkte laut IVD-D in die neuen Klassen A bis D (jetzt höchstes Risiko). Bei der bisherigen CE-Zertifizierung nach IVD-D wurden nur IVD-Liste A und B durch die Benannten Stellen geprüft (20% aller Zulassungen) , rund 80% lagen in Herstellerverantwortung. Durch die IVD-R dreht sich dieses Verhältnis um in 80% mit Bewertung durch die Benannte Stelle (Risikoklasse B, C und D), 20% ohne (Risikoklasse A).
Eine Besonderheit bei der Zulassung der Kontrollproben als IVD besteht darin, dass die Risikoklasse nach IVD-R entsprechend der Risikoklasse des Analysetestes des enthaltenen Parameters zugeordnet werden muss. Bei Multiparameterkontrollen bestimmt der Parameter mit der höchsten Risikoklasse die Gesamteinstufung.

Das Design und die Herstellung von zertifizierten Qualitätskontrollen ist ein hochkomplexer Prozess mit einem signifikanten Aufwand an technischer Dokumentation zur Verifizierung aller durchgeführten Arbeitsschritte. Diese muss für die Zulassung der Kontrollen bei der Benannten Stelle eingereicht werden. Die Leistungsbewertungsprüfung von Kontrollen beinhaltet Homogenitäts- und Stabilitätstestungen in einer Drei-Chargenprüfung für die jeweiligen Zielwertbereiche. Diese müssen mindestens im niedrigpathologischen und hochpathologischem Bereich für den jeweiligen Parameter liegen.

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